
Reisebericht Juni 2007
13. Jun.'07 Nachdem die letzten Naechte wieder durchgeschraubt wurde, sollte es heute losgehen. Sollte! Denn Christian bittet darum, die Abfahrt zur Eurovespa in San Marino um einen Tag zu verschieben. Sein Schreibtisch ist noch immer voellig ungeordnet.
Aber zumindest die Vespas befinden sich seit dem Morgen im Zollgebiet des Hamburger Flughafens. Die Roller warten hier auf ihre Flugzeug-Verladung Anfang naechster Woche.
14. Jun.'07 Hendrik und Ole muessen die Reise zur Eurovespa trotzdem alleine antreten. Christian hat in aller Hektik morgens noch einen Flug nach Remini/Italien gebucht und zoegert so in seiner Unorganisiertheit die Abreise mal wieder bis zum letzten heraus.
15. Jun.'07 Hendrik und Ole fallen nach durchgefahrener Nacht in San Marino ein. In ihrem Mercedes-Sprinter haben die Travellar Ersatzvespas stehen, um gemeinsam mit anderen Hamburgern an dem Rollertreffen teilzunehmen.
16. Jun.'07 Mittags trifft auch Christian in San Marino ein. Die Party ist bereits im vollen Gange (und an Hendrik auch nicht ganz spurlos vorbeigegangen..!)
17. Jun.'07 Ein letzter relaxter Tag in Europa.
18. Jun.'07 Etwas spaet starten wir in Norditalien. Der ein oder andere Stau macht uns leicht nervoes, doch rechtzeitig treffen wir am Muenchener Flughafen ein. Mit erheblicher Verspaetung geht es nach London. Dort werden wir vom Bodenpersonal erwartet und ueber eine Abkuerzung zum US-Flieger geleitet. Aber umsonst: auch diese Machine startet mit knapp 4-stuendiger Verspaetung. Zeit fuer die ersten Dielen (Dielen = Kartenspiel Raeuber Romme).
19. Jun.'07 Wir haben es geschafft, unsere Koffer nicht. Nach kurzem Schlaf rufen wir die deutsche Spedition an, um mit Freuden zu vernehmen, dass die Vespas wie geplant ebenfalls in den Staaten angelandet sind.
Doch vor Ort dann die Enttaeuschung: Nur der Anhaenger ist mitgekommen, die Vespas sollen angeblich um 3 Uhr nachmittags da sein. Misstrauisch sind wir puenktlich wieder bei der Spedition, aber die Roller haben es tatsaechlich geschafft. Um 17.01 Uhr bekommen wir endlich einen Papierwulst in die Hand, mit dem wir persoenlich zum Zoll muessen. Und womit wir nie gerechnet haetten: der US-Zoll gibt -nach persoenlicher Inspektion- die Fahrzeuge superschnell frei. Das wird an dem kulanten Beamten gelegen haben, der selber ein 1953er Oldtimer-Motorrad faehrt und von den Vespas ganz angetan war... Noch am selben Tag duerfen wir die Schutzfolie abreissen. Hendriks Koenigin muss beim Verladen einen maechtigen Treffer auf den Lenker bekommen haben, so tief ist die Schramme. Auch sein Ruecklicht haengt nur noch am Roller. Doch das sehen wir locker - Kollateralschaden eben. Vom Flughafen los kommen wir trotzdem nicht - zuviele Sachen wie Helme usw. aus den immer noch nicht aufgetauchten Koffern fehlen.
Also muessen wir noch eine Nacht laenger am Flughafen bleiben. Unser Pech: ungefahr 20 mal hoert Christian "Sorry, sold out" auf seine telefonische Bitte nach einem Hotelzimmer. Ueber dem Airport tobt ein Sturm, der zahlreiche abgesagte Fluege und noch viel mehr haengengebliebene Fluggaeste verursacht. Alle Zimmer im Flughafen und Umgebung sind ausgebucht.
Dank einer netten Flughafenlotsin finden wir 40 Kilometer entfernt eine Alternative, die nur mit dem Taxi zu errreichen ist. Doch es wollen noch mehr Leute weg. So stellen wir uns fuers Taxi in eine ewig lange Schlange.
Am Ende des Tages sitzen wir ohne Gepaeck in Secaucus, trotzdem nicht unzufrieden. Die Vespas sind in USA!
20. Jun.'07 Der aus Florida kommende Sturm hat einen kraeftigen Regen mitgebracht. Trotzdem: wir wollen heute weg vom Flughafen ins vorgebuchte Walldorf Astoria. Also besorgen wir uns bei Walmart billige Baseballhelme und etwas Regenzeug. Zu Fuss latschen wir dann meilenweit herum, um etwas Sprit zu bekommen. Die Tanks der Vespas mussten fuer den Flug nahezu geleert werden, und bei Christian ist der klaegliche Rest gestern auch noch ausgelaufen.
Auf dem Airportgelaende heisst es noch einmal schrauben, und dann rauf auf den Highway. Ohne Autobahn, die wir auf unserer Reise ansonsten moeglichst meiden wollen, waeren ca. 100 Kilometer Umweg angesagt. Das extra besorgte TomTom Navigationsgeraet gibt schon nach wenigen Metern mangels Batteriekapazitaet auf, und das Ladegeraet ist im... klar, im Gepaeck. Das schockt uns genausowenig wie der rabiate New Yorker Fahrstil. Vorm Hudson River, den wir durch den Holland Tunnel unterqueren, treffen wir noch einen BMW-Fahrer, der uns zu einem grossen abendlichen Motorradtreffen einlaedt. 10.000 Mopeds sollen New York bevoelkern. Trotz einer Verabredung ist uns unklar, wir wir den Kollegen da finden sollen...
Die Strassenschluchten von New York sind auch fuer die Vielreisenden unter uns beeindruckend. Broadway und Fifth Avenue per Vespa - hat was. In der Park Avenue befindet sich unsere bescheidenen Unterkunft fuer die naechsten Naechte, das weltberuehmte Waldorf Astoria. Die Roller muessen neben den anderen Luxusfahrzeugen in der Parkgarage verweilen.
Nach kurzer Breack geht es zum Mopedtreffen. Die Ortsangaben waren mit "Little Italy" etwas duerftig, und natuerlich sehen wir den BMW-Fahrer nie wieder. Sattdessen laufen wir bei dem Treffpunkt der motoradfahrenden Polizisten auf. Besonders auffaellig: eine neue Harley mit fetten Harkenkreuzaufklebern. Besitzer ganz offensichtlich ein Officier vom New York Police Department.
Von dieser Besonderheit abgesehen eine etwas langweilige Veranstaltung, die uns zu Vino und Pasta (oder auch Pommes und Knoblauchbroten) veranlasst, schliesslich sind wir in Klein Italien. In New York faehrt auch die ein oder andere Vespas herum, ET, LX, PX. Wir suchen den Shop Retro Vespa, aber unsere Unterlagen sind etwas veraltet. Die sind schon wieder umgezogen.
Des Nachts geht es dann in eine recht fette Bar, die wohl schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Wohlwollend klaeren wir die Auskunftheischenden Amis ueber unsere Reise auf und werden von einem Finanzbrocker promt zur Bed & Breakfast in seinem Haus an den grossen Seen eingeladen.
21. Jun.'07 Nach drei Tagen landet das erste Gepaecktueck im Waldorf an, Moinsens Tasche. Christian bleibt weiterhin ohne Ersatzklamotten, Ladegeraete, Medizin usw., obwohl laut British Airways Hotline gestern alles verladen wurde...
Nuetzt nichts, wir wollen mehr von New York sehen und fahren mit der U-Bahn an den Hudson River. Dort sitzt ZIP Helicopter Tours, ueber die sich Moinsen schon lange vor Reiseantritt erkundigt hat. Und es ist ein fettes Erlebnis! Wir buchen die Grand Island Tour und sehen wirklich ganz NY City von oben: New York Skyline, NY Harbor, Verrazano Bridge, den NY Financial District, Ground Zero, Empire State Building, Chrysler & Met Life Buildings, Historic landmarks, Yankee Stadium, Grant's Tomb, die Cathedral of St. John The Divine, George Washington Bridge, Central Park, New York's 5 boroughs, die Bronx, Queens, Brooklyn & Staten Island, Queensboro, Brooklyn und mehr. Absolut empfehlenswert.
Weiter geht es per Fahrstuhl auf das Empire State Buildung und per Pedes zu Ground Zero. Ein Besuch im Rockefeller Center und im Museum of Modern Art Geschaeft schliessen den Neckermann-Trip ab. Am spaeten Nachmittag finden wir hinten in einem Tante-Emma-Laden eine Internetzugang, bei dem nicht alle Funktionalitaeten gesperrt sind. Bis zum "Feierabendbier" um 2 Uhr nachts hauen wir in die Tasten und stellen ein paar bunte Bilder und etwas Text auf diese Seiten. Als Reisender ist man halt abhaengig von einer guten Internetverbindung samt benutzbarem Rechner (PS: dank fehlender Administratorenrechte konnten wir ein paar Sicherheitseinstellungen lahmlegen und den Computer fuer unsere Zwecke missbrauchen).
22. Jun.'07 Eigentlich wollten wir heute nach Kanada starten. Stattdessen weiter warten aufs Gepaeck ("kommt heute bis 12 Uhr" und aehnliche Maerchen aus British Airwayshausen). Das Waldorf will uns nicht mehr oder ist tatsaechlich ausgebucht - wir wechseln einen Block weiter ins The Rogers Smith Hotel. "Wie ist den das legendaere Waldorf wirklich?" fragten uns Freunde. Eine tolle Lobby (wie die etwas dekadenteren Luxusbunker halt so sind, denen sonst nichts einfaellt - oder die so alt sind wie das Waldorf), einen einigermassen guten Service, fuer den Preis mittelmaessige Zimmer was Standart, Groesse und Ausstattung betrifft. Und: teuer.
Ein bisschen New York durchschnueffeln - rumgegammel im Internetcafe - abends versacken im Irish Pub runden den Tag ab.
23. Jun.'07 Die Anrufe bei British Airways haben sich laengst zur Routine entwickelt - obwohl, so langsam werden wir sauer. "Wird heute zwischen 12 und 13 Uhr geliefert". Jaa, genau. Um 14 Uhr wird Christian dann penetrant. Jetzt erfahren wir, dass das Gepaeck "gestern nacht" geliefert wurde. Also wieder den Bell Man im Rogers Smith Hotel nerven, zum wiederholten Male alle in Frage kommenden Lagerraeume persoenlich inspezieren. Der von British Airways beauftragte Newark Baggage Service ruft natuerlich auch nicht "umgehend" (oder ueberhaupt irgendwann) zurueck, genausowenig wie dies British Airways auch nur 1x getan hat. Reisende, die nur 1 Woche in NY City verbracht haetten, haetten sich neu einkleiden duerfen... Der Urlaub waere fuer den ein oder anderen doch erheblich eingeschraenkt gewesen. Zur Erinnerung: US-Amerikaner haben durchschnittlich nur etwa 2 Wochen Urlaub pro Jahr. In Gedanken wieder bei den Afrika Strapazen steckt Christian den Aerger halbwegs weg - alles ersetzbar, alles kein Weltuntergang.
Um die leidige Gepaecksache zu Ende zu berichten: Mehr um die Zeit totzuschlagen, latscht Christian wieder zum Waldorf. Auch dort kennt er die Gepaeckaufbewahrungsraeume schon wie seine Westentasche. Und was sollen wir Euch sagen: hier liegen die beiden Ortlieb-Taschen seit heute morgen.
Derweil hat sich Hendrik "Moinsen" aus hier nicht naeher zu erlauterenden Gruenden zum Hosenkauf aufgeschwungen. In einer Seitenstrasse der Fifth Avenue wird er bei Dr Jays fuendig - als einziger Weisser zwischen riessengrossen Schwarzen. Ausgerechnet Moinsen im Rapperladen... Aber die Buechs sitzt!
Nachmittags schauen wir kurz bei Vespa Queens rein und abends gehen wir in einem Yuppie Restaurant in der 127th nochmal stylisch essen. Wie wir kurze Zeit spaeter erfahren, verpassen wir ein paar Blocks weitere eine fette Schiesserei. Selbst in NY City reif fuer die Nachrichten.
Bei dem folgenden Besuch in einem coolen Club prosten wir uns zu - morgen geiht dat auf die Boecke.
24. Jun.'07 Endlich koennen wir auch das Navigationsgeraet TomTom Rider einsetzen - bisher mussten wir beiden Blindfuechse mit Kartenmaterial rumwurschteln. Na gut, angekommen sind wir trotzdem, das Strassensystem in NY City ist eben idiotensicher.
Mit anderen Scooteristen sind wir fuer einen Sundayride verabredet. Wir kommen zu spaet zum vereinbarten Treffpunkt und halten die ganze Truppe auf, obwohl alle im Nachbarstaat New Jersey mit weiteren Rollerfahreren verabredet sind. Schliesslich hat Christian in Downtown New York noch einen Wechsel des Vergasers vorgenommen.
Los geht es mit circa 15-20 Rollern, darunter auch ein paar Lambrettas und andere Fremdfahrzeuge. Organisiert wird die Ausfahrt von dem Frauenclub Donne Veloci, aber auch Scooteristen vom New York Scooter Club oder den Mini Mart Muchachos sowie Unorganiserte nehmen ganz zwanglos teil.
Nach einer halben Stunde der erste Ausfall: die Frau eines deutschen Scooteristen, der seit 15 Jahren in NY City als Boersenmakler taetig ist, legt sich auf dem maessigen Asphalt der Weltstadt hin. Ausser ein paar Kratzern ist zum Glueck nicht passiert, und kurze Zeit spaeter geniessen wir den Ausblick, den der Park Eagle Rock auf die Skyline von NY City bietet. Noch eine gemeinsame Erfrischungsaufnahme, und wir verabschieden uns unter "Good luck" Wuenschen von den Kollegen.
Noch ist New Jersey flach, aber schon jetzt merken wir jede kleine Steigung. Mit 15 km/h schleichen wir die kleinsten Anhoehen hoch. Es macht sich bemerkbar, dass unsere beiden Vespas je 53 Jahre auf dem Buckel haben. Spontane Zurufe aus Autos und von Fussgaenger fliegen uns zu. "Use the sidewalk" ("Benutzt den Buergersteig") scheint beispielsweise intuitiv aus den Menschen zu entfahren. Schlagloecher lassen unsere Maschinen springen, die Stahlroste auf einigen Bruecken erinnern beim Ueberqueren eher an eine Bootstour. New Jersey zieht an uns vorbei, die Gegend wird schoener... und ploetzlich sind wir wieder in Hamburg! Im umliegenden Rolling Hills Motel machen wir Matrazenhorchen.
25. Jun.'07 Die Beleidigungen gehen weiter. Ein Ami, mit dem wir morgens vorm Motel ins Gespraech kommen, ist von unserer Reise ganz angetan. Er hatte uns am Vorabend bereits ueberholt, dachte aber "... some kids driving around" ("...einige kids fahren herum"). Diese Aussage fasst die grundsaetzliche Einstellung der hiessigen Bevoelkerung zu Micromobilien und Oldtimern zusammen. Wie haeufig sollten wir als Antwort auf unsere Reiseplaene noch ein unglaeubiges "...with THIS?" hoeren! Hier faehrt man Harley und Big Block.
Traumhafte Strassen fuehren uns nach Pennsylvania. Wir kommen in hoehere Gefilde (zumindest rein physisch) und durchqueren einige Skigebiete. Alles mit originaler Vergaserbeduesung, was sich auf die eh geringe Leistung nochmals negativ niederschlaegt. An einigen Steigungen muessen wir die Vespas sogar hochschieben! Als wir uns gerade ueberlegen, den warmen Sommerwind ohne Kopfbedeckung zu geniessen, sind wir auch schon wieder in New York (diesmal New York State) und damit zurueck in einem Bundesstaat mit Helmzwang.
Wir versuchen zwar, Autobahnen zu vermeiden, manchmal geht es aber doch nicht ganz ohne. So troeddeln wir dann mit 50 Sachen (km/h!) auf dem Seitenstreifen, wenn es denn einen gibt. Und die LKWs, die hier wohl keinem gesonderten Tempolimit unterliegen, donnern mit 120 an uns vorbei. Wir fuchsen uns etwas weiter in das TomTom Rider Navigationsgeraet ein, um schliesslich auf Fahrradrouten zu landen. Eine Entscheidung, die mit tollen Seitenstrassen belohnt und mit unasphaltierten Schotterpisten bestraft wird. Die 53 Jahre alten Oldtimer klappern, als ob sie gleich auseinanderfallen wollten.
Doch Moinsens Kupplung rutsch schon seit Beginn unser Tour, wir muessen immer wieder "Abkuehl"pausen einlegen. Waehrend einer dieser Pausen kommt direkt neben uns ein Biber aus dem Gebuesch und schaut uns ueberrascht mit einem Blick an, als wollte er sagen: "Was zum Teufel macht Ihr denn hier?"
Christian rennt ein Reh direkt vor den Roller, ueberhaupt liegen ueberall am Strassenrand tote Tiere. Biber, Rehe, Stachelschweine, Streifenhoernchen.... Schliesslich kommt Moinsen selbst die leichtesten Steigungen nicht mehr hoch, und es geht wieder zurueck auf Schnellstrassen und Autobahnen. Na gut, dadurch schaffen wir auch ein paar Meter (ist woertlich zu nehmen...).
Kurz vor Beginn der Dunkelheit halten wir am Quality Inn Hotel in Apalachin. Und wie klein die Welt eben so ist: die Besitzerin, welche Moinsen vor der Lokation trifft, kommt urspruenglich aus Sueddeutschland, und ihre Schwester lebt in Hamburg. Sie und ihr Mann spendieren uns zwei Zimmer zum Preis von einem, und selbst darauf gibt es noch einmal einen Sonderpreis. Fuer den naechsten Tag laden uns die beiden auf einen Trip durch ihre 40 Hektar grossen Laendereien ein, doch wir muessen leider passen. Schon jetzt sind wir weit hinter unserem Zeitplan. Das Quality Inn (7666 State Route 434, Apalachin NY 13732, USA, Tel. 607.625.4441) ist also unser Tipp fuer alle Leser, die mal nach Apalachin kommen!
An diesem Abend trifft Moinsen eine fuer ihn schwere Entscheidung: der Metallkorb auf seinem PAV Anhaenger ist zu schwer, er wird ihn in den naechsten Tagen zu Freunden von Christian nach Florida senden. Daraufhin wird auch der aus Deutschland mitgebrachte Korn um die Haelfte "dezimiert" und der Rest in eine Plastikflasche umgefuellt. Mal sehen, wie lange der noch haelt...
26. Jun.'07 Heute kommen wir noch weniger voran als sonst, insgesamt ganze 120 Kilometer. Reparaturen bestimmen den Tagesablauf. Laengst haben wir entschieden, dass unsere Seite als Pendant zu www.Schieben-im-Sand.de eigentlich www.Schrauben-in-Amerika.de heissen muesste.
Staendig muessen wir anhalten, um Hendrik "Moinsens" Kupplung wieder abkuehlen zu lassen. Auf hier nicht naeher zu erlaeuternde Art und Weise nehmen wir einen Getriebeoelwechsel vor, es stinkt nach Verbranntem. Schon am Nachmittag muessen wir uns in der Universitaetsstadt Geneva (selbigen haben wir dann aber doch nicht getrunken) eine Bleibe in der Naehe eines UPS-Stores suchen. Kupplung wechseln und ueberfluessiges Gepaeck aussortieren sind angesagt. So liegt Moinsens Roller die Nacht ueber dann auf dem Parkplatz vor unserem Zimmer. Das Personal vom Motel 6 uebt sich in Toleranz, und die restlichen Motelgaeste geben Anfeuerungsrufe.
27. Jun.'07 Hendrik Moinsens morgendlicher "Auftrag": Werkstatt suchen und Bremsbelege anpassen. So irrt er also durch Geneva und terrorisiert mehrere Werkstatteninhaber. Doch richtige Bandschleifmaschinen bleiben unauffindbar, und so muss der Chef-Feinmechniker improvisieren und die Bremsbelaege per Hand ausrichten. Dauert manuell ja auch nur eine Stunde anstatt geschaetzte 12 Maschinensekunden...
Nach weiterem stundenlangen Geschraube (Anm. der Redaktion: wir wollen nicht mit staendigen Wiederholungen langweilen, aber das ist ein erheblicher Bestandteil der Reise) fahren wir um die Ecke zum UPS-Store. Beim UPS-Store (ehemals auch bekannt als Mailboxes etc.) kann man seinen Versandkram einfach auf den Tressen legen, verpacken und versenden erledigt das Ups-Team. Neben dem Anhaengeraufbau, der jetzt einer Plastiktasche vom Walmart weicht, schicken wir gleich ueberfluessiges wie eine zweite lange Hose (Moinsen), ein zweites Handtuch (Moinsen, Christian hat garnicht erst ein zweites mitgenommen), einen i-pod (Christians. Er wird von jetzt an von Moinsens Mucke terrorisiert) sowie unsere beiden 85 Euro teueren Campingstuehle mit.
Mit neuer Kupplung gehts dann weiter. Aber nach weniger hundert Metern jault die Kiste schon wieder: ran, Kupplung raus, neue verstaerkte Federn rein. Alles schoen bei 45 Grad Temperatur.
Danach laeuft Moinsens Bock wieder ganz gut.. Wir kommen durch Lima, einem Ort, in dem kriminelle, ja fast terroristische Kraefte per groesser Tafel gesucht werden: "IF YOU KNOW WHO SET 2 AMERICAN FLAGGS ON FIRE IN LIMA PLEASE CALL POLICE"*. Der Gegenwind ist so stark, dass wir selbst bergab (!) in den zweiten Gang schalten muessen. Trotzdem kommen wir gut vorwaerts, dass naechste Schrauben findest erst kurz vor Tagesziel statt, direkt vor Hector's Eisenwarenladen. Der Besitzer wollte Mitte der Neunziger auch eine Vespa erwerben, gabs damals in den USA aber nicht zu kaufen (von 1984 bis 1997 wurden regulaer keine Vespas nach USA eingefuehrt). Und so musste sich der Mann einen Hondaroller oder irgend sowas zulegen. Sehnsuechtig starrt er uns nach, als wir nach neu angepasstem Gewinde und neuer Oelablassschraube (Moinsen Vespa) das Szenario verlassen.
Wir fahren bis in die Dunkelheit, den wir wollen heute noch nach Kanada. Das geht fasst schief, denn Moinsen hat kein Ruecklicht an seinem Anhaenger und direkt in Niagara Falls (USA) greift uns die Polizei ab. Doch der Kollege ist recht locker und meint bloss, wir sollen zusehen, die Kanadier wuerden uns ohne Lichtkoerper sonst nicht reinlassen. Aber kein Problem, und das Michael's Inn (Niagara Falls, Kanada) hat noch Platz fuer uns. Auch duerfen wir die Vespas ausnahmsweise in Sichtweite der Rezeption parken. Wir genehmigen uns noch einen Luetten, und fertig ist die Laube.
* In den Vereinigten Staaten ist es ein Gesetzesverstoss, die Nationalfahne zu beschaedigen oder abzufackeln
28. Jun.'07 Wir besichtigen eines der grossen Naturwunder dieser Welt, die Niagara Faelle. Zu Fuss und per Boot erkundigen wir die Groesse und Schoenheit dieser Attraktion. Mit dem Schiff mitten hinein zu fahren, ist schon beeindruckend. Der kanadische Teil der Stadt ist voll auf Tourismus ausgerichtet, und so verdaddeln wir unsere Zeit erst im Hooters und danach im hiessigen Casino. Hendrik "Moinsen" verliert ein paar Dollar im Poker, die er beim Roulette dann aber locker wieder reinholt.
Was war: Ach ja, ein Tag ohne schrauben (wir sind allerdings auch nicht gefahren...).
29. Jun.'07 Wir kommen ganze 100 Meter weit, dann will Moinsens Maschinchen wieder einmal nicht mehr. Keiner der alten Tricks bewegt sie, anzuspringen. Doch manchmal gilt: "Keep it simple". Es ist nur die Zuendkerze, die ihren Geist aufgegeben hat.
Danach kommen wir zum ersten Mal ueber eine laengere Strecke super vorwaerts, keine Berge oder sonstigen leichten Erhebungen, kein Gegenwind. Relativ schnell sind wir kurz vor Toronto, welches wir eigentlich aus Zeitgruenden links liegen lassen wollten. Doch schon ist Moinsen Kupplung erneut zerraucht. Ein Anruf beim alten Afrikafahrer Woltman, und wir bekommen genaue Anweisungen, wo welcher Teilehaendler sitzt. Wir entscheiden uns fuer Motoretta, den groessten Haendler in der Gegend. Eine gute Wahl, die Jungs und Maedels sind sehr nett und hilfsbereit, und wir duerfen kostenlos die Werkstatt samt Werkzeug mitbenutzen. Nun beginnt fuer Moinsen die Frimelei, seine 53 Jahre alte Maschine auf eine moderne PX-Kupplung umzuruesten. Es ist ein umfangreicheres Unternehmen, und so bleibt Hendrik "Moinsens" Roller ueber Nacht in der Werkstatt.
Wir nehmen ein Feierabendbier und gehen frueh schlafen.
30. Jun.'07 Morgens um 10 Uhr steht Moinsen erneut in der Motoretta-Werkstatt und passt weiter die moderne Kupplung an, die immer besser und besser passt. Da Hendrik "Moinsen" vom Hotel aus zu Fuss gegangen ist, muss Christian die vielleicht 3 Kilometer alleine fahren. Und was passiert? Natuerlich, Christians Roller streikt nach wenigen Metern und weigert sich, wieder anzuspringen. Die Vespa ist vollbeladen (=unangenehm zu schieben) und das ganze Werkzeug liegt bei Motoretta. Also "muss" sich Christian in ein Cafe setzen und warten, bis Hendriks Roller wieder laeuft. Schliesslich war es wieder nur die Zuendkerze.
Wegen den abendlichen Canada Day Parties entschliessen wir uns, den angebrochenen Tag in Toronto zu verbringen. Um wenigstens einmal etwas sinnvolles zu machen, suchen wir einen Survivalshop auf und kaufen einen wasserdichten grossen Seemannssack fuer Moinsens Anhaenger.
Der Club, den wir spaeter an einer Hauptstrasse aufsuchen, sieht zwar von aussen cool aus und ist gut besucht, so richtig ins groven kommen wir aber nicht. Das schafft schliesslich die zweite Location, die wir spaet nachts auftun: 10 Dollar Eintritt, ein riessiger Saal, Live Band... und ausser uns 6 weitere Gaeste. Die etwas runtergeranzte Tanzmuckerband spielt denn auf Moinsens Ansage hin sofort "Sweet Home Alabama" (PS: "Zu Spaet" von den Aerzten kannten sie nicht).